Am 26.07.2002 bemerkten wir während unseres Urlaubes auf Rügen eine Veränderung an Deinem Bauch. Wir fuhren sofort in die nächste Klinik, in der durch Ultraschall und Röntgen die
Schreckensdiagnose gestellt wurde: großer Tumor im Oberbauch, umgehend Behandlung erforderlich! Am 29.07.2002 zogen wir dann auf der kinderonkologischen Station in C.
ein. Dort wurde ein sofortiger Untersuchungsmarathon eingeleitet mit dem Ergebnis, dass es sich wahrscheinlich um einen embryonalen bösartigen Tumor handelt (der Tumormarker AFP war extrem
erhöht).
Schon 2 Tage später, am 31.7.02, wurdest Du operiert. Man fand einen sehr großen Tumor im Oberbauch. Von der Bauchspeicheldrüse war nur noch ein Miniteil übrig, das während der sehr komplizierten OP am 31.7. kunstvoll an den übrigen Darm genäht wurde (und sich bis zum Schluss erstaunlicherweise um die lebenswichtige Insulinproduktion kümmern konnte).
Noch in der Nacht nach der OP kam es zu lebens bedrohlichen massiven Blutungen, an denen Du fast verstorben wärst. Ursache dafür war eine erst 2 Jahre später erkannte Gerinnungsstörung. Du lagst 10 Tage im Koma und musstest mehrfach operiert werden.
Es waren schlimme 6 Wochen auf der Intensivstation mit vielen Komplikationen, z.B. Darmbluten und Wasser im Bauch. In dieser Zeit erfuhren wir den histologischen Befund:
Pankreatoblastom, ein sehr seltener bösartiger Tumor der Bauchspeicheldrüse, meist bei Kindern in Deinem Alter auftretend. Deshalb gab es nur wenige Erfahrungen weltweit; geschweige denn Studienprotokolle, so wie bei den meisten anderen Tumoren im Kindesalter.
Da von dem Tumor leider auch ein regionaler Lymphknoten im Bauchraum mitbefallen und die Tumorränder nicht sicher tumorfrei waren, entschlossen sich Deine Ärzte zu einer Polychemotherapie, anlehnend an die high-risk-Behandlung der Weichteiltumoren. Diese begann Ende September 02 und endete am 12.3.2003.
Im August 2003 war nun endlich der große Tag Deiner Einschulung; DER Höhepunkt in dieser Zeit. Zuvor waren Du und ich zu Deiner 1. onkologischen Rehabilitation in W.
Im ersten Schulhalbjahr ging es Dir recht gut. Du bekamst nach der langen Krankheit einen Integrationsplatz mit einigen besonderen Schulstunden. Aber die meiste Zeit wolltest Du in Deiner Klasse verbringen.
Uns Eltern beschäftigte immer wieder die „unsichere Prognose“ Deiner Krankheit. Der Tumormarker „Alpha- 1-Fetoprotein“ (AFP) wurde unser wichtigstes „Barometer“, denn er zeigte uns sehr zuverlässig die Krankheitsaktivität Deines Krebses an.
Im Frühjahr 04 gab es immer mehr Komplikationen Deiner OP: Dein Restdarm hatte Mühe mit der Verdauung, eben so der Minirest der Bauch- speicheldrüse. Die Leber zeigte immer wieder Laborauffälligkeiten, vor allem im Gerinnungssystem.
Im Sommer 04 fuhren wir zu dritt nach Südtirol; Von diesem Urlaub sollten wir wieder lange zehren müssen. Kaum daheim, mussten wir uns in der Klinik vorstellen, denn Deine Gerinnungswerte waren nicht akzeptabel, und die Durchblutung im Bauchraum wurde aufgrund der OP-Folgen immer bedenklicher.
So stand plötzlich die bange Frage vor uns: Brauchst Du eine neue Leber? Zur weiteren Diagnostik wurden wir in die Uniklinik H. überwiesen. Dort stellte man eine sehr seltene Gerinnungsstörung bei Dir fest, die bei der 1.OP auch zu den fast nicht beherrschbaren Blutungen führte.
Die gute Nachricht nach Abschluss der Untersuchungen war: Du kannst mit der Restfähigkeit Deiner Leber gut leben. Die schlechte Nachricht: Es wurde ein Tumorrezidiv an der Leberpforte festgestellt. Da das AFP in den Wochen zuvor ganz langsam anstieg, wuchsen auch unsere Ängste, aber wir rechneten nicht mit so einem „Urteil“. Mit großer Not versuchten wir ein „Ja“ zu einer erneuten OP mit anschließender „Dauerchemotherapie“ zu finden.
Die OP wurde Anfang November 04 in H. durchgeführt, weil dort die besten Voraussetzungen dafür vorhanden waren. Die Ärzte taten alles, dass die lebensbedrohlichen Blutungen diesmal durch entsprechende Medikamente verhindert werden, was auch gelang. Diesmal überstandest Du die OP viel besser. Das traurige optische Ergebnis: Durch die beiden OP’s wurdest Du zum rechtmäßigen „Tapferen Ritter“ geschlagen; es kreuzten sich auf Deinem Bauch 2 riesige Narben.
Ende November 2004 begann der 1. Zyklus der geplanten Chemo, auch in H., die nächsten sollten dann zu Hause durchgeführt werden. Ab jetzt brauchtest Du eine Hausbeschulung.